Die Geschichte des Knecht Ruprecht

Die Geschichte des Knecht Ruprecht

Im tiefsten Winter begab es sich, dass ein Reiter mit seinen Gefolgsleuten durch den Wald ritt. Sie waren noch nicht lange unterwegs, da verlor das Pferd des Reiters ein Hufeisen. Er stieg von seinem Pferd, um den Schaden zu beheben, sein Hund wartete getreu mit ihm. Doch als er wenig später versuchte, seine Gefolgsleute einzuholen, fand er sie nicht und verirrte sich tief im Winterwald. Dieser Reiter trug den Namen Knecht Ruprecht. Er war ein grober Geselle, als er schließlich eine Hütte fand, stieß er die Türe so heftig auf, dass sie beinahe aus ihren Angeln sprang. In der Hütte lebte eine Witwe mit ihren beiden Kindern. Unwirsch verlangte Knecht Ruprecht nach etwas zu Essen, während der Hund bedrohlich knurrte. Die Witwe erschreckte sich sehr und brachte dem Fremden sofort Speis und Trank, obwohl sie kaum genug für sich und ihre Kinder hatte. Ruprecht seufzte zufrieden und gesättigt und versuchte schließlich auf der Bank vor dem Ofen ein wenig zu schlafen.

Jeden Abend stellte die Frau eine Kerze auf den Tisch neben die Kinder, die Flamme knisterte und flackerte munter. Doch das grelle Licht schmerzte dem Knecht in den Augen und so sprach er: „Mach die Kerze aus, siehst du etwa nicht, dass sie mich vom Schlafen abhält?“ Doch die Witwe antwortete mit zitternder Stimme: „Nein, ich kann das Licht nicht löschen. Es ist ein Gruß an die himmlische Frau, damit sie uns das Sonnenlicht zurückbringt und der Winter endet!“ Missmutig drehte der Knecht den Kopf zur Wand und legte sich wieder Schlafen.

Leise begannen die Kinder ein Lied zu singen. Ruprecht erwachte und verlangte mit strenger Stimme, sie sollten Ruhe geben, er wolle doch schlafen! Doch die Mutter der beiden Kinder redete ihnen gut zu und ermutigte sie, weiter zu singen, auch wenn ihr Angst und Bange wurde. „Hör doch nur, sie singen ein Weihnachtslied!“, sagte die Frau. „Wie sonst könnte die himmlische Frau uns ihr Licht herab senden, wenn wir sie nicht mit feinen Liedern riefen?“ Sie stand auf und öffnete die Türe einen Spalt, sodass ein paar Schneeflocken herein wirbelten. Nun geriet der Knecht ganz außer sich: „Warum tust du das? Ich habe dir gesagt, dass ich schlafen will, und es ist viel zu kalt draußen!“ Doch die Frau entgegnete nur: „Die himmlische Frau muss doch auch hören können, wie die Kinder singen und das Licht der Kerze sehen, sonst geht sie womöglich einfach vorüber.“

Als Knecht Ruprecht die Witwe nun immer wieder von der himmlischen Frau reden hörte, besann er sich darauf, dass auch sein Herr und sein Gefolge die Wälder durchritten, auf der Suche nach ihr. Er blickte zur Türe und fragte sich, ob er sie wohl tatsächlich hier finden könnte. Doch er sah niemanden außer die verängstigten Kinder. Da wurde im plötzlich ganz warm ums Herz und er wollte sein raues Auftreten entschuldigen. Er tröstete die Kinder und teilte mit allen das Brot, dass die Frau ihm gegeben hatte, da er merkte, dass sie hungrig waren. Auch reparierte er das Spielzeug des kleinen Mädchens, ein Pferd, dessen Schweif abgerissen war. Und als er sah, wie die Augen der Kinder und ihrer Mutter zu leuchten begannen, war er sicher, in ihnen die himmlische Frau erblicken zu können. Es gefiel im so sehr zu helfen, dass er unzählige Geschenke herbeizauberte. Aus einer Nuss wurde ein ganzer Sack, aus einem Apfel schuf er einen ganzen Eimer voll.

In Mitten seines Zauberns und Schenkens, flog mit einem Mal die Türe auf und sein Herr, der Jäger, stand in der Hütte: „Was hast du hier zu suchen?“ Der Knecht erschrak: „Das ist nicht leicht zu sagen, die Kinder sangen zur himmlischen Frau und wünschten sie mit aller Kraft herbei, für unser aller Wohl. Das wollte ich belohnen.“ Und als der Reiter sah, wie alle in diesem Haus strahlten vor Glück, wies er seinen Knecht an, auch noch in andere Häuser zu gehen und den singenden Kindern Geschenke zu bringen, auf dass die himmlische Frau sie höre. Und so zieht Knecht Ruprecht noch heute von Haus zu Haus und beschenkt die guten und frommen Menschen.

 

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