Die Legende vom Golem
Die Legende berichtet, dass der „Hohe Rabbi“ Yehuda Löw ben Besal’el (1505-1609) in Prag ein Wesen aus Ton formte und ihm Leben eingab. Dieses Geschöpf wurde „Golem“ genannt, ein Wort, das Unfertiges und Unvollendetes oder auch geistig Unbeholfene bezeichnen kann.
Die Inspiration zur Schaffung des Golems empfing der Hohe Rabbi der Legende nach in einem Traum. Da die Juden sich schweren Anfeindungen gegenübersahen, wurde ihm vermittelt, sich durch die Schaffung eines Golems eines Helfers und Beschützers für die jüdische Gemeinde zu versichern.
Der Golem, der äußerlich einem Menschen gleicht, besitzt besondere Kräfte, ist jedoch nicht in der Lage, wie ein Mensch zu denken, Entscheidungen zu treffen oder zu sprechen. Er ist der Diener dessen, der ihn geschaffen hat. Manche Versionen der Golem-Geschichten sprechen davon, dass das künstliche Wesen, wenn es zu einem anderen Zweck gebraucht wird als jenem, dem seine Erschaffung diente, außer Kontrolle geraten und große zerstörerische Kraft entwickeln kann.
Wie wird ein Golem hergestellt?
Die Herstellung eines Golems folgt einem speziellen Ritual, in das über die Repräsentanz der vier Elemente und über die Anwendung kabbalistischer Zahlen- und Wortmagie die Schöpfung an sich zitiert und in der tönernen Form des Golems materialisiert wird. Es gibt unterschiedliche Beschreibungen darüber, was letztlich den Golem aktiviert bzw. deaktiviert.
Nach einer Überlieferung wird auf seine Stirn das hebräische Wort für „Wahrheit“ geschrieben, wodurch die Kreatur belebt wird. Entfernt man davon die ersten drei Buchstaben, so bilden die verbleibenden das Wort für „Tod“, was den Golem wieder leblos werden lässt.
Eine andere Überlieferung spricht davon, dass dem Golem der auf einen Zettel geschriebene Name Gottes unter die Zunge gelegt wird, was ihm Leben eingibt (als eine Art Symbol des göttlichen Atems) und dass die Entfernung des Zettels ihm diese Lebensenergie wieder entzieht.
Die Legende vom Golem ist in ihren Ursprüngen wesentlich älter als die Geschichte aus dem Prag des 16. Jahrhundert. Sie hat immer wieder Künstler und Literaten inspiriert, darunter die englische Autorin Mary Wollstonecraft Shelley, deren berühmter Roman „Frankenstein oder Der neue Prometheus“ ebenfalls die Idee des von einem Menschen geschaffenen künstlichen Wesens aufgreift, nur dass es in diesem Fall nicht aus Lehm, sondern aus Leichenteilen und nicht durch einen Geistlichen, sondern durch einen Arzt hergestellt wird.