Lilith – Emanzipation im Paradies
Die wunderbare Sophia Loren soll gesagt haben: „Ich bin gegen die Emanzipation. Durch Emanzipation verliert die Frau ihre Weiblichkeit. Was kann einer Frau Schlimmeres passieren?“. Der französische Philosoph und Schriftsteller Balzac hatte gut 150 Jahre früher eine andere Meinung: „Aber, wenn wir aufrichtig sein wollen: Bringt denn die Emanzipation der jungen Mädchen wirklich so viele Gefahren mit sich?“.
Was versteht man unter Emanzipation?
Im antiken Rom war die Emanzipation ein einmaliger Erweis eines Rechtes durch den Höher- an den Niedrigergestellten. Das Wort Emanzipation stammt von dem lateinischen Begriff „emancipare“ ab und bedeutet einen Sklaven oder erwachsenen Sohn aus der „mancipatio“ in die Selbständigkeit zu entlassen. „Mancipatio“ war genau genommen die feierliche Eigentumserwerbung durch Handauflegen. In der Umgangssprache versteht man unter Emanzipation die Befreiung aus einem Zustand der Abhängigkeit im Sinne von Verselbstständigung. In diesem Sinne hat sich der Begriff Emanzipation besonders in der Frauenbewegung etabliert.
Worauf begründet sich Emanzipation?
Die Gleichberechtigung in Deutschland wurde erstmals 1949 mit dem Gleichberechtigungsparagraphen, Artikel 3 Absatz 2, im Grundgesetz verankert. Während sich in der BRD nach dem Krieg und der unglaublichen Erfolgsgeschichte der Trümmerfrauen langsam das Bild der kinderhütenden Hausfrau durchsetzte, hatten Frauen in der DDR einen gleichberechtigten Zugang zur Bildung, Erwerbstätigkeit und Politik. Weltweit entwickelte sich Ende der sechziger Jahre eine dritte Welle der Frauenbewegung, die sich gerade für die Selbstbestimmung über den eigenen Körper und daher für Abschaffung des Paragraphen 218 einsetzte. Der erste Versuch einer Gleichberechtigung datiert zurück ins 12./13. Jahrhundert, der zweite begann mit bzw. nach der französischen Revolution. Als Leitfigur dieser dritten Strömung schuf Alice Schwarzer mit der feministischen Zeitschrift “EMMA” das wohl wichtigste Sprachrohr der neuen Frauenbewegung.
Sind Emanzipation und Feminismus Synonyme?
Das war im Sprachgebrauch über einen langen Zeitraum der Fall. Aber in den letzten Jahren hört man häufiger, gerade auch von jungen Frauen, dass sie zwar die Emanzipation gut fänden, aber beileibe keine Feministinnen seien. Die deutsche Philosophin, Politikwissenschaftlerin und Journalistin Antje Schrupp spricht es in einem ihrer Artikel deutlich aus: „Der Emanzipation geht es um die Gleichstellung der Frauen mit den Männern.“ Sie fragt: Haben Frauen dieselben Rechte, sind sie in gleicher Zahl in bestimmten Positionen präsent, haben sie dieselben Chancen und Möglichkeiten? Dem Feminismus hingegen geht es um die weibliche Freiheit in einem viel umfassenderen Sinn. Hier steht nicht der Vergleich mit den Männern im Zentrum, sondern das Begehren der Frauen selbst. Es gibt sie also – die Emanzipation ohne Feminismus. Das weibliche Streben und Begehren kann auch in andere Richtungen gehen, die nicht von Männern dominiert sind, so dass die Frauen damit nicht in Konkurrenz zu männlichen Privilegien stehen. „Die ideale feministische Welt, wenn man so will, ist keine, in der Frauen dasselbe machen wie Männer. Und sie ist auch keine, in der alle Frauen dasselbe machen. Sondern eine, in der Frauen – möglichst viele Frauen – das machen, was sie selbst wollen.“
Wer war Lilith?
Soviel mal vorweg: Doch was hat das Ganze mit dem Paradies zutun? Lilith war die erste Frau Adams. In der heutigen Bibelübersetzung wird Lilith allerdings nur einmal kurz erwähnt – bei Jesaja 34,14. In der Lutherbibel taucht sie als Nachtgespenst auf. Ähnlich verhält es sich in talmudischen Quellen (3. bis 5. Jhd. n.Chr.). Dort geistert Lilith als Nachtdämon umher und wird erst ab dem 9. Jahrhundert n. Chr. zu Adams erster Frau erhoben. Sie wurde aus demselben Lehm geformt und nicht aus einem Körperteil Adams. Daher war sie diesem gleichberechtigt und ebenbürtig. Lilith war nicht bereit sich Adam zu unterwerfen. Gott holte Lilith vor der ersten Nacht noch zu sich und sagte ihr, sie solle Adam untertan sein. Dazu war sie nicht bereit und floh aus dem Paradies. In die Nähe des roten Meeres ließ sie sich nieder und ging eine Verbindung mit dem Dämonen Djinns ein. Zusammen zeugten sie einige dämonische Kinder (z.B. Lilim). Doch Gott wollte, dass Lilith wieder zu Adam zurückkommt. Also schickte er drei Engel los, die sie zur Rückkehr bewegen sollten. Doch sie lehnte ab. Als Strafe für ihren “Ungehorsam” ließ Gott jeden Tag 100 ihrer Kinder töten. Vor Trauer wahnsinnig, begann sie nun selbst als kindermordende Dämonin Schrecken und Angst zu verbreiten. Als „Ersatz“ schuf Gott Eva aus der Rippe Adams. Der Rest der Geschichte ist bekannt: Von der Schlange verführt, isst Eva von den Früchten des Baums der Erkenntnis und gibt auch Adam von ihnen zu essen. Gott straft sie und vertreibt sie aus dem Garten Eden, dem Paradies. Auch gehen wohl einige Theologen der Idee nach, dass Lilith den Apfel der Erkenntnis an Eva reicht, um sich für das Unheil, das ihr angetan wurde zu rächen. Sie selbst aber bleibt unsterblich, da sie nie die Früchte vom Baum der Erkenntnis gegessen hat.
Der Lilithmythos symbolisiert die Selbständigkeit der Frau und den Versuch der Männer, diese mittels einer höheren Autorität zu unterdrücken. In der Psychologie stehen sich hier zwei scheinbar gegensätzliche Eigenschaften der Frauen gegenüber: Lilith steht dabei für Sinnlichkeit, Leidenschaft und Sexualität, wohingegen Eva das Bild der Mütterlichkeit, Bescheidenheit und Folgsamkeit verkörpert. In Lilith sehen einige die Gegenheldin zu der biblischen Eva, die in der patriarchalen Tradition steht. Damit ist Lilith gewissermaßen das Urbild weiblicher Emanzipation.