Die Sage um Ödipus (1/3)
Viele Märchen und Mythen aus dem alten Griechenland haben im Laufe der Zeit auch Einzug in unsere westliche Kultur erhalten. Ob es die Sage von Echo und Narziss ist, aus denen viele alltägliche Begriffe wie eben namentlich das „Echo“ oder der „Narzissmus“ entstanden sind oder wir die heute und hier vorgestellte Geschichte vom unglücklichen Ödipus betrachten, nachdem das psychologische Störungsbild des „Ödipuskomplexes“ benannt wurde – überall begegnen uns die Gestalten längst vergangener Zeit. Mit Ödipus treten wir einer besonders tragischen gegenüber, denn wie sehr er es auch versuchte, so konnte er seinem grauenhaften Schicksal nicht entkommen. Doch greifen wir nicht unnötig vor und nehmen Ihnen so die spannende Lektüre dieser abenteuerlichen griechischen Sage.
Laios und Iokaste – Die leiblichen Eltern
Es begab sich, dass Laios – der König von Theben – und seine Frau Iokaste auch nach vielen Jahren Ehe kinderlos geblieben waren. Um Rat zu dieser für ein Herrscherpaar problematischen Situation zu erhalten, reiste Laios zum Orakel von Delphi und bat um dessen Hilfe. Das Orakel eröffnete ihm jedoch nur den Grund für die Kinderlosigkeit: Vor vielen Jahren hatte der König von Theben den Sohn des befreundeten Königs Pelops begehrt und versucht, den Jungen zu verschleppen und zu verführen, worauf Pelops Leios verfluchte. Und auch das Orakel war ihm nicht wohl gesonnen und wies ihn an, sich zu unterstehen, jemals einen Sohn zu zeugen. Sollte er es dennoch tun, so würde dieser Sohn seinen eigenen Vater erschlagen und seine Mutter zur Frau nehmen.
Laios aber ließ sich nicht beirren und so gebar ihm Iokaste schließlich ein Kind. Da es sich bei dem Spross jedoch tatsächlich um einen Jungen handelte, bekam das Köigspaar es mit der Angst zu tun. Aus Furcht, dass die Prophezeiung sich doch erüllen könnte, durchstachen sie die Versen den Kindes, banden sie zusammen und übergaben es einem Schäfer, der den Jungen im Gebirge aussetzen sollte.
Polybos und Merope – Die Adoptiveltern
Der Schäfer aber hatte Mitleid mit dem Kind und gab es in die Obhut eines vorbeiziehenden Schäfers aus Korinth. Durch diesen gelang das Kind schließlich in jene Stadt und wurde von dessen ebenfalls kinderlosem Königspaar, Polybos und Merope, adoptiert. Die Königin war eine kundige Heilerin und heilte die Wunden des Jungen. Auf Grund der deformierten Füße, die das Kind zurückbehielt, nannte sie ihn Ödipus, was so viel wie „Schwellfuß“ bedeutete.
Ödipus verlebte eine schöne Kindheit und wuchs zu einem starken jungen Mann heran. Eines Abends jedoch störte ein Betrunkener seine Idylle, indem er dem Jungen auf einer Feier erzählte, dass Polybos und Merope nicht seine leiblichen Eltern seien. Als Ödipus das Königspaar dazu befragte, flüchteten sich diese in fadenscheinige Erklärungen, sodass er sich entschloss, das Orakel von Delphi zu befragen. Das Orakel ignorierte zwar die Frage nach seiner Herkunft, doch es prophezeite ihm, dass er seinen Vater töten und die eigene Mutter heiraten würde. Aus purem Entsetzen heraus entschied der junge Mann sich somit, nie wieder nach Korinth zurück zu kehren und stattdessen in das weit entfernte Theben auszuwandern. So hoffte er nicht nur sein eigenes, sondern auch das Leben seiner vermeintlichen Eltern zu schützen und die Prophezeiung zu vereiteln.