Das Dilemma der Wissenschaft und ihrer Kritiker
In einer Pressemitteilung warnt die Gesellschaft zur wissenschaftlichen Untersuchung von Parawissenschaften (GWUP) in Rossdorf vor sogenannten „Entstrahlungsgeräten“, die vor schädlichen Erdstrahlen schützen sollen. Die Mitglieder der Gesellschaft sind Wissenschaftler. Sie haben es sich zur Aufgabe gemacht, betrügerische Produkte oder Dienstleistungsangebote auf dem Markt zum Wohl der Verbraucher zu entlarven. Das ist ein verdienstvolles Ziel und den Beteiligten ist für jeden Fall zu danken, in dem sie es erreichen.
Allerdings: „Es gibt mehr Ding im Himmel und auf Erden, als eure Schulweisheit sich träumen lässt.“ Dies legt Shakespeare seinem Hamlet in den Mund. Das inzwischen zu einem geflügelten Wort gewordene Zitat deutet auf ein grundsätzliches Dilemma unserer Zeit hin. Es stehen sich zwei Gruppen von Menschen gegenüber. Jede reklamiert für sich, Wahrheit zu besitzen. Jede spricht der anderen damit den Besitz von Wahrheit ab. Die einen sind jene, die sich strikt an die Erkenntnisse der arrivierten Wissenschaft halten. Die anderen sind jene, für die (bis jetzt) genau diese Wissenschaft nur einen kleinen Teil der Wirklichkeit abbildet. Zwischen ihnen befinden sich Menschen, die unterdessen andere mit obskuren Produkten zur Verbesserung ihres Befindens um ihr Geld betrügen.
Wer profitiert?
Sie sind es, die letztlich von dieser Auseinandersetzung profitieren. Sie sind es, die eine ernsthafte wissenschaftliche Auseinandersetzung mit bislang unbeachtet gelassen Phänomenen verhindern. Wodurch möglicherweise auch Fortschritt verhindert wird. Scharlatane gab es zu allen Zeiten. Wissenschaftler ohne Vision und ohne Neugier gab es auch zu allen Zeiten. Daniel Shechtmann wurde 2011 der Nobel-Preis für Chemie zugesprochen für seine Forschung auf dem Gebiet der sogenannten „Quasikristalle“. Seine Fachkollegen hatten jahrelang über seine Theorien die Nase gerümpft und sie für unsinnig erklärt.
Er ließ sich nicht beirren. Schließlich belegte er nicht nur die Existenz der Quasikristalle, sondern fand auch praktische Nutzanwendung für sie. Das zeigt, dass es durchaus reale Erscheinungen gibt, die noch auf wissenschaftliche Erklärung und Erforschung warten. Es zeugt daher nicht von Weisheit, die Existenz von Phänomenen zu leugnen, nur weil es noch kein Verfahren zu ihrer Messung oder Bestimmung gibt. Es zeugt jedoch auch nicht von Weisheit, einfach Beschreibungen und Behauptungen zu glauben, nur weil sie in den richtigen Worten abgefasst sind. Es ist und bleibt eine Aufgabe für uns alle, neugierig, erfinderisch, wachsam und kritisch zu sein. Denn es stimmt: „Es gibt mehr Ding im Himmel und auf Erden, als eure Schulweisheit sich träumen lässt“.