Interview mit Andrea Kalff zum Thema Schamanismus

Interview mit Andrea Kalff zum Thema Schamanismus

„Der Schamane ist eine Brücke zwischen Leben und Tod und zwischen Natur- und Schulmedizin.“

Vistano: Frau Kalff, wie können sich die Leser Ihre Tätigkeit vorstellen?

Kalff: „Ich bin der Bezeichnung nach Schamanin. Früher war dies der Oberbegriff für Hebammen, Medizinmänner, Ratgeber und Berater. Der Schamanismus ist die Wurzel für unser heutiges Wissen in der Medizin, wie wir sie kennen. Leider vergessen dies viele Menschen und tun Schamanismus als „esoterischen Humbug“ ab. Einige Menschen, die mich konsultieren, waren zuvor bei Ärzten und oft auch bei Psychologen, die die Ursache ihres Leidens nicht finden konnten. Ich muss in diesem Zusammenhang allerdings betonen, dass ich keine Klienten annehme, die starke Psychopharmaka einnehmen. Die Aufgabe des Schamanen ist eine Brücke zwischen Leben und Tod und auch zwischen Natur-und Schulmedizin zu bilden. Ich bin keinesfalls der Meinung, dass es nur den einen Weg zur Heilung gibt.

Ich selbst arbeite auch mit Schulmedizinern zusammen und glaube, dass jeder Mensch seinen eigenen Weg zum Heilwerden finden muss. Zudem kann ein Schamane niemanden heilen, wir können den Klienten ihren Weg aufzeigen, gehen müssen sie selbst. Ich, als Schamanin, diene der geistigen Welt als Werkzeug und somit anderen Menschen. Natürlich ist es oftmals schwer sich selbst dabei nicht zu verlieren, aber ich habe meine Aufgabe angenommen, als das, was sie ist- ein Teil von mir. Vor jeder Konsultation lasse ich von meinen Klienten eine Erklärung unterschreiben, dass sie von mir keine ärztliche Behandlung erwarten bzw. abbrechen sollten und auf eigene Verantwortung bei mir erscheinen. Meine Beratung rechne ich auf Spendenbasis ab. Ich behandele oftmals auch Menschen, die kein Geld zur Verfügung haben. Zudem arbeite ich oftmals mit der ganzen Familie zusammen und besuche die Betroffenen auch in ihren Häusern, denn das soziale Umfeld spielt oftmals eine große Rolle, denn wo Disharmonie herrscht, entsteht Krankeit und der Schamane bringt durch spezielle Reinigungen und Räucherungen wieder Harmonie und somit Gesundheit ins Haus.“

Vistano: Seit wann üben Sie diese aus?

Kalff: „2006 besuchte ein Freund von mir einen Schamanen-Kongress und hat mich gefragt, ob ich ihn begleiten wolle. Zu dem Zeitpunkt empfand ich eine derartige Veranstaltung als absurd bzw. hatte ich kein Interesse daran teilzunehmen. Mein damaliger Mann und auch meine mittlere Tochter rieten mir „aus Spaß oder Interesse für das Unbekannte“ teilzunehmen, ich hätte schließlich nichts zu verlieren. Also begleitete ich meinen Bekannten, unter der Bedingung, dass ich an keinem Workshop vor Ort teilnehmen würde und auch generell wenig Zeit mit den anderen Schamanen verbringen wollte. Bereits bei Ankunft am Mondsee, noch vor dem Aussteigen aus dem Auto, schwirrten eine Truppe Koreaner an uns, in farbenprächtigen Kleidern vorbei. Mein Freund wollte diesen sofort folgen, ich war sehr zögerlich, da ich ja in keinen Workshop wollte. Doch irgendwas hielt mich wie gefesselt und ich ging für ein paar Minuten mit in den Saal. Als Frau Kim anfieg eine Rede zu halten und ich ihre Stimme wahrnahm, fing mein Herz an zu rasen. Ich verließ sofort den Raum.

Zu späterem Abend, in der Pause von der Eröffnungszeremonie des Schamanenkongresses am Mondsee, wurde ich von einem Mitarbeiter von ihr nach meiner Telefonnummer gefragt, Frau Kim wolle in Kontakt mit mir treten, wurde mir gesagt. Skeptisch verweigerte ich zunächst die Kontaktaufnahme und ließ mich schließlich doch auf ein Gespräch mit ihr ein, zu dem mich mein damaliger Mann begleiten hat. So kam es dann auch und Frau Kim konnte uns Einzelheiten über unser Leben berichten, die mich erschütterten, denn sie entsprachen zum einen der Wahrheit und waren zum anderen höchst persönlich und außer uns Beiden konnte davon eigentlich niemand wissen. Sie gab mir eine strenge Anweisung mich einem Inititationsritual bei ihr zu unterziehen, da ich , wie sie es nannte, an der Schamanenkrankheit litt. Dies hat mir und uns Angst bereitet und Unsicherheit vor dem Unbekannten und dem Fremden empfinden lassen. Tief beeindruckt von diesem Treffen und mit der Bitte von Frau Kim ich solle sie in Korea besuchen, verließ ich den Kongress und versuchte in mein altes Leben zurückzukehren.

Dies war nahezu unmöglich. Kurze Zeit daraufhin erkrankte ich an Krebs. Frau Kim hatte mir erklärt, dass Schamanen und sogar ihre Familie bis zu ihrer Weihung körperlich und seelische Beschwerden aufweisen, was als „Schamanen-Krankheit“ bezeichnet wird. Dass die Krebserkrankung daher rührt, kann ich nicht zweifelsfrei behaupten, allerdings war ich immer anders als alle anderen- auch als Kind . Natürlich befürchtete ich nun auch schwerwiegende Folgen für meine Familie. Verzweifelt, nahm ich zunächst Abstand von allem und fuhr für eine Woche ans Meer, saß am Strand und setzte mich mit meinen Möglichkeiten auseinander. Als schließlich mein damaliger Mann mir ebenfalls riet nach Korea zu fliegen, um alle Möglichkeiten auszuschöpfen, machte ich mich auf den Weg. 2006 wurde ich von der weltbekannten koreanischen Meister-Schamanin Kim Keum Hwa zur „Mudang“ (Schamanin, Brückenträgerin) geweiht und von da an ist mein Leben ein anderes. 2012 gab es eine Ausstellung in Korea über Traditionellen Schamanismus. Frau Kim Keum Hwa und ich sind zwei Protagonistinnen darin. Dies ist ein Kunstprojekt, das 2013 nach Paris kommt. Zudem wird momentan ein Film über mein Leben und meine Arbeit gedreht, das ist sehr spannend und ich freue mich über die positive Resonanz. Ich strebe für die Zukunft ein Angebot an, bei dem Menschen mich in meinem Zuhause besuchen können und meiner Arbeit beiwohnen können. Dies soll für einen maximalen Zeitraum von vier Wochen erfolgen und die Arbeit des Schamanen verständlicher und transparenter machen.”

Vistano: Was ist Schamanismus?

Kalff: „Ein Schamane ist das Werkzeug oder der Kanal durch den die Spirits oder Geister Kontakt zu der jeweiligen Person aufnehmen. Daher kann ich mich von meiner Arbeit zumindest in dieser Hinsicht lösen, als dass ich eine Art Botschafterin bin, die ihre übermittelten Botschaften allerdings nicht beeinflussen kann und darf. Vor jeder Kontaktaufnahme muss ich meine Spirits und Geister um Erlaubnis fragen, ob ich die Person betreuen darf- nur wenn sie mir das „Go“ geben, kann ich mit den Menschen arbeiten. Das ist beispielsweise auch der Grund, wieso ich, ähnlich wie ein Arzt, meiner Familie nicht helfen kann. Ich bin in diesem Moment kein reiner, objektiver Kanal mehr, sondern wünsche mir bewusst Heilung und beeinflusse den Verlauf automatisch. Natürlich wünsche ich jedem meiner Klienten Heilung, aber die Familie berührt nochmal eine andere Sphäre. Was ich täglich für meine Klienten tun kann, ist, dass ich an meinem Altar für sie bete, wie ich es auch für meine Familie tue. Die Aufgaben eines Schamanen sind oftmals sehr belastend, da ich sehr viel Leid und Trauer miterlebe. Ebenso wichtig ist es für mich also, dass ich mich selbst reinige. Genau dies ist das Problem von angeblichen Schamanen, dass sie nicht mit den Energien umzugehen wissen und in der Folge selbst angegriffen werden.”

Vistano: Wie erkennt man Scharlatane in diesem Bereich?

Kalff: „Scharlatane erkennt man beispielsweise daran, dass sie dem Klienten erst einmal ausfragen und dann ihr angebliches Sehen und Können darauf aufbauen. Daraufhin dann Heilung versprechen und das zumeist zu einem Zeitpunkt, an dem der Kontakt zwischen Schamane und Klient noch nicht lange besteht. Oftmals ist es auch der Fall, dass Betrüger den Hilfesuchenden in eine Abhängigkeit bringen und bereits beim ersten Treffen einen Plan aufstellen, wie oft der Klient zur Behandlung kommen muss. Es werden mehrere Sitzungen verabredet. Der Unterschied ist oft schwer zu erkennen, da der Schamane auch Rituale anbietet, die Kosten aufweisen können, die auch nicht niedrig sind. Große Scharlatanerie wird damit betrieben, dass man “Schamane sein” angeblich in einem Workshop erlernen kann. Dies ist schlicht und ergreifend Betrug und gefährlich. Viele hilfesuchende Menschen, die wirkliche Hilfe benötigen, kommen auf einen Weg, der dann Schlimmes für diejenigen nach sich zieht… Man wird als Schamane geboren oder man leidet unter der Schamanenkrankheit und muss dann von einem anderen Schamanen initiiert werden. Nur diese beiden Möglichkeiten gibt es Schamane zu sein. Schamanische Fähigkeiten hat jeder von uns, und die kann man trainieren, und verfeinern.. damit ist man aber kein Schamane! Meine Aufgabe sehe ich zudem darin Prävention vor Betrug in diesem Bereich zu lehren, damit verzweifelte Menschen nicht für angebliche Hilfe viel viel Geld bezahlen. Ich möchte zum Abschluss noch meiner Familie, meiner neuen Mutter Frau Kim und all den Menschen danken, die mich unterstützen und vor allem meiner besten und liebsten Freundin Petra, die mir immer eine große Stütze war und ist.“

Vistano: Liebe Frau Kalff, vielen Dank für das interessante Interview mit Ihnen und wir wünschen Ihnen weiterhin alles Gute!

 

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