Die literarischen Reisen zu Gott

Die Magie in der Bibel

Wenn Deutsche eine Krise kommen sehen oder schwere Zeiten durchmachen, bekommen sie Wanderslust. So wie Hape Kerkeling, der sich 2001 auf den Jakobsweg begab, nach einer Gallenblasenoperation und einem Hörsturz. Im Jahr 2006 erschien dann sein Buch „Ich bin dann mal weg“, in dem er von seinen Erlebnissen auf dem Pilgerpfad erzählt.

Sehnsucht nach Entschleunigung

Warum sich dieses Buch über vier Millionen Mal verkaufte, hat sicherlich zahlreiche Gründe. Jürgen Habermas hatte beispielsweise nach den Anschlägen von New York festgestellt, dass im Westen die religiöse Saite wieder zum klingen gebracht worden sei. Durch solche Ereignisse entsteht ein großes Verlangen nach Selbstvergewisserung und Geschichten, wie die von Hape Kerkeling befriedigen unser Bedürfnis in dieser Hinsicht. Auch eine gewissen Sehnsucht nach Entschleunigung ist daher in den Nullerjahren zu beobachten.

Doch Kerkelings Buch scheint nur den Kulminationspunkt einer zeittypischen Sehnsucht darzustellen, einer Sehnsucht nach Neo-Spiritualität. Pilgern auf dem Traumpfad zu den Gebeinen des Apostels Jakob. Im Jahr 1987 hatte Paulo Coelho ebenfalls schon seine Erfahrungen auf dem Pilgerweg mit seinen Lesern geteilt. Auch zahlreiche Filme sind auf der Jakobsweg-Welle mitgeritten wie etwa „One day in Europe“ von Hannes Stöhr oder „Pilgern auf Französisch“ von Coline Serreau.

Erfahrungen auf dem Pilgerweg erheitern die Leser

All dies hätte wahrscheinlich trotzdem noch nicht dazu geführt, dass sich ein Buch Millionen Mal verkauft. Doch mit Hape Kerkeling hatte sich schließlich einer der größten und beliebtesten deutschen Fernsehstars der Nullerjahre diesem Thema angenommen und das mit unglaublich viel Witz und Weisheit. Dass sich ein Homosexueller einem so erzkatholischen Ritual unterzieht, bewirkte sofort beim Publikum eine angenehm unkonventionelle Erbaulichkeit. Mit „Ich bin dann mal weg“ tritt Kerkeling eher in die Fußstapfen des „Pyrenäenbuchs“ von Tucholsky. Er entpuppt sich in diesem Werk als gewitzter Gotteserklärer und schlauer Erzähler. Mit der Lektüre dieses Buches wird man keinesfalls missioniert, doch fühlt man sich als Europäer, Deutscher, Christ oder Esoteriker sofort besser, nicht zuletzt oder gerade weil Hape Kerkeling uns vermittelt, das wir auch alles zugleich sein zu können.

 

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